Am Anfang stand die Stellenvermittlung
Dr. Barbara Dätwyler
Erste Qualitätsstandards
Den ältesten Teil des SBK Bern stellt die Stellenvermittlung dar. Sie wurde 1901 als eine Massnahme unter anderen zur Förderung der sogenannten freien Berufskrankenpflege eingeführt. Durch die Stellenvermittlung wurden die ersten Qualitätsstandards der Berufspflege gesetzt und verwirklicht.
Entstehung des Pflegeberufes
Ende des 19. Jahrhunderts erkannten die beiden Schweizer Pioniere der freien Berufspflege, Dr. med. Anna Heer in Zürich und Dr. med. Walther Sahli in Bern, dass die Krankenpflege auf eine neue, dem Stand der medizinischen Entwicklung entsprechende Basis gestellt werden musste. Die bislang vorherrschenden Formen der Pflege durch katholische und reformierte Ordensfrauen und -männer sowie die sogenannte Privatpflege zuhause genügten den modernen Anforderungen nicht mehr. Jetzt, wo die Narkose erfunden und die Prinzipien der Asepsis bekannt waren, entwickelte sich die Krankenhausmedizin rasant. Im gleichen Zug entstand Bedarf an ausgebildetem Pflegepersonal, welches die Patientinnen und Patienten rund um die Uhr nach den neuesten Erkenntnissen pflegen und betreuen konnte.
Die Modernisierung der Krankenpflege zog die Verberuflichung der Krankenpflege nach sich. Dazu gehörte die Neuorganisation der Pflege innerhalb und ausserhalb der Institutionen, eine regelrechte Berufsausbildung und der Zusammenschluss des Pflegepersonals in einem Berufsverband.
Walther Sahli und Anna Heer
Walther Sahli setzte sich im Rahmen seiner Funktion als Zentralsekretär des Schweizerischen Roten Kreuzes für die Förderung der freien Berufskrankenpflege ein. Anna Heer kämpfte zusammen mit dem Schweizerischen gemeinnützigen Frauenverein für die Ausbildung und geeignete Vermittlung derjenigen „Krankenwärter“, „welche keiner religiösen Ordensgemeinschaft, keinem Mutterhause zugehörig, auf eigene Rechnung und Verantwortung“1 in der Pflege arbeiteten. Anna Heer betonte, dass das „Amt“ der Pflegenden so wichtig und verantwortungsvoll sei, dass die höchsten Anforderungen an ihren Charakter und ihr Wissen und Können zu stellen seien. Walter Sahli beschrieb die Situation des bestehenden freien Personals als miserabel „… denn es darf nicht verschwiegen werden, dass die sozialen Verhältnisse des Pflegepersonals noch in sehr mancher Beziehung unbefriedigend sind. Durch unvernünftige Arbeitszeit, die nicht selten 15-16 Stunden per Tag beträgt, durch andauerndes Nachtwachen ohne genügende Gelegenheit zum Tagesschlaf werden konfessionelle und freierwerbende Pflegerinnen in ihrer Gesundheit geschädigt, ihre Kräfte werden rasch verbraucht, und es ist kein Zufall, dass die Erkrankungs- und Sterbeziffer beim Pflegepersonal eine abnorm hohe ist. Die Erfahrung lehrt, dass das Publikum gelegentlich die unvernünftigsten Anforderungen an die Kraft und die Leistungsfähigkeit einer Pflegeperson stellt mit der Begründungen, solche Leute seien ja ans Nichtschlafen und ans Heben schwerer Patienten, kurz, an alles Mögliche, was sonst kein anderer Mensch zu leisten vermag, gewöhnt. Diesem, hauptsächlich auf Unkenntnis beruhenden, naiven Egoismus der Bevölkerung muss durch klare Bestimmungen entgegengewirkt werden, die möglichst genau die Pflichten und Rechte der Pflegepersonen umschreiben und die dem Publikum in geeigneter Weise bekannt zu geben sind.“2


Erste Stellenvermittlungen und Ausbildungsstätten

Heer und Sahli konnten ihre Ziele realisieren: 1899 gründete der Schweizerische gemeinnützige Frauenverein in Zürich das Stellenvermittlungsbureau, 1901 die Schweizerische Pflegerinnenschule mit Frauenspital in Zürich. In Bern gründete das Schweizerische Rote Kreuz 1899 die Rot-Kreuz-Pflegerinnenschule mit Anschluss an das Lindenhof-Spital, 1901 folgte die Gründung des Stellenvermittlungsbureaus.
Erster Kurs der Rot-Kreuz-Pflegerinnenschlule Lindenhof Bern, 1899
Der Schweizerische Krankenpflegebund
1909 wurden die beiden Pflegeverbände Bern und Zürich gegründet. Am 13. November 1910 schlossen sich die beiden Verbände zusammen zum Schweizerischen Krankenpflegebund, mit dem Zweck „das freie Pflegepersonal für Kranken-, Wochen- und Kleinkinderpflege zu organisieren, dasselbe beruflich zu heben und ökonomisch zu fördern.“3 Welche Massnahmen dafür getroffen werden sollen, wird in Artikel 2 der Statuten festgehalten:
„Im besonderen strebt der Verband an:
a) Einen zweckmässigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage im Pflegeberuf
durch Stellenvermittlungsbureaus, die auf gemeinnütziger Grundlage, nach
verbindlichen, möglichst einheitlichen Bestimmungen betrieben, eine Bes-
serung der Anstellungsverhältnisse des gut ausgebildeten Pflegepersonals
gewährleisten.
b) Die Aufstellung verbindlicher Bestimmungen über Ausbildung und die Dauer
der Lernzeit seiner Mitglieder.
c) Die Einführung eines Krankenpflegeexamens und die Fernhaltung moralisch
minderwertiger Elemente vom Pflegeberuf.
d) Die Schaffung eines einheitlichen Mitgliedsabzeichens als Ausweis einer
genügenden Ausbildung und Eignung für den Beruf.
e) Die Weiterbildung seiner Mitglieder durch das obligatorische Verbands-
organ, durch Kurse, Vorträge etc.
f) Den Anschluss seiner Mitglieder an den Schweizerischen Verein vom Roten
Kreuz, behufs Mitwirkung bei Kranken- und Verwundetenpflege im Kriegs-
fall. Die Mitwirkung bei gemeingefährlichen Epidemien.“
Tragfähige Grundelemente
Der kurze Rückblick auf die Anfänge unserer Sektion mag zwei Aspekte als besonders bemerkenswert erscheinen lassen: Es sind Menschen mit ihren Visionen und ihrem persönlichen Engagement, die in historischen Konstellationen Strukturen und Entwicklungen formen und prägen. Was um 1900 für die Pflegeprofession angelegt wurde, weist sich als offensichtlich nachhaltig aus – trotz unserem Gefühl, ständig rasanten und grundsätzlichen Veränderungsprozessen ausgesetzt zu sein. Die Grundelemente, die um 1910 statuiert wurden, gelten bis heute.
1 Blätter für Krankenpflege, Schweizerische Monatszeitschrift für Berufs-
krankenpflege, Zentralverein vom Roten Kreuz, 1908-1925. Beitrag von
Frl. Dr. A. Heer, Zur Gründung eines Schweizerischen Pfleger- und
Pflegerinnenverbandes, 1909, Nr. 4, S.44, in: Dätwyler, B.; Lädrach, U. (1987).
Zur Entwicklung der Berufskrankenpflege in der Schweiz, RECOM, Basel,
S. 45/46.
2 Sahli, W. (1903). Das Schweizerische Rote Kreuz und die Krankenpflege,
Separatdruck aus dem VIII Jahresbericht des Schweizerischen Zentralvereins
vom Roten Kreuz, Bern, S.17, in: Dätwyler, B., a.a.O.
3 Statuten des Schweizerischen Krankenpflegebundes, Artikel 1.
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