Beschlüsse des Grossen Rates zu den Sparmassnahmen im Gesundheitswesen
Der Grosse Rat hat in der Novembersession entschieden, dass bei der Spitex, im Behindertenbereich und im Langzeitbereich weit weniger gespart werden muss als vom Regierungsrat vorgesehen war. Im Langzeitbereich sind es die Infrastrukturkosten, die weiterhin finanziert werden, dafür muss aber die Pflege mehr sparen. Empfindlich mehr gespart werden muss auch in der Psychiatrie. Nachfolgend die Beschlüsse im Detail:
1. Psychiatrieversorgung
In den staatlichen Psychiatriebetrieben werden Stellen abgebaut und damit im Jahr 2014 Einsparungen in der Höhe von CHF 2.5 Millionen realisiert.
Die Mitfinanzierung nicht mehr spitalbedürftiger Personen, das heisst Menschen, die nicht alleine leben können aber aufgrund ihres Gesundheitszustandes keinen Spitalaufenthalt benötigen, wird gestrichen (von Topf 2 in Topf 1 verschoben). Daraus resultiert ein Sparpotential von CHF 6.572 Mio.
2. Spitexversorgung
In der Spitex muss weit weniger gespart werden, als dies der Regierungsrat vorgesehen hatte.
- So werden die pflegerischen Leistungen der Spitex im Rahmen der Versorgungspflicht weiterhin abgegolten und es wird auf ein Sparpotential von CHF 5.2 Mio. verzichtet,
- die Versorgungspflicht für hauswirtschaftliche Leistungen nur um 25 % anstatt wie vom Regierungsrat vorgesehen um 50 % gekürzt.
3. Spitalversorgung
Beinahe unbemerkt sind im Zuge der Angebots- und Strukturüberprüfung (ASP) und des Voranschlags 2014 auch im Spitalbereich Einsparungen beschlossen worden. So stehen infolge der Streichung der Mittel für Zusatzfinanzierungen 2014 CHF 20.0 Mio. weniger zur Verfügung, Restrukturierungsbeiträge in der Höhe von CHF 1.8 Mio. entfallen und das Budget für das Rettungswesen wird um 1.3 Mio. gekürzt. Die Kinderklinik des Inselspitals muss die Mindereinnahmen, die ihr während der baulichen Erneuerung entstehen, aus der laufenden Rechnung begleichen und auf Kompensationszahlungen des Kantons verzichten.
4. Alters- und Behindertenbereich
Der Regierungsrat hatte vorgesehen, die Betriebsbeiträge an die Institutionen um CHF 15.7 Mio. zu kürzen. Die Finanzkommission beantragte, stattdessen nur CHF 3 Mio. zu sparen und vermochte den Grossen Rat mit ihren Argumenten zu überzeugen.
Weiter wollte der Regierungsrat mit der Senkung des Pflegekostenbeitrags um 1.8 % ein Sparpotential von CHF 8.8 Mio. realisieren. Auf Antrag der Finanzkommission beschloss der Grosse Rat, den Pflegekostenbeitrag noch um 0.7 % mehr um insgesamt 2.5 % zu senken. Damit werden nochmals 3.4 Mio. gespart, insgesamt also CHF 12.2 Mio. Weil der Beitrag der Krankenversicherer – und ab Pflegestufe 3 auch der Beitrag der Pflegeempfänger – aufgrund des Bundesrechts (Krankenversicherungsgesetz bzw. Krankenpflegeleistungsverordnung) gleich bleibt, muss jede Institution diesen Betrag einsparen. Zur Frage, wie sie das einsparen sollen hat die Finanzkommission auch gleich Vorgaben gemacht, die der Grosse Rat in diesem Wortlaut angenommen hat: „Der Regierungsrat wird beauftragt, die Anforderungen an Heime, insbesondere hinsichtlich Mitarbeitenden (Qualifikationen, Richt- und Mindeststellenpläne etc.) substanziell nach unten anzupassen, so dass die Altersheime grösseren Spielraum erhalten. Insbesondere soll zwecks Kostenersparnis die Freiwilligenarbeit und der Einsatz von wenig qualifiziertem Personal ermöglicht werden.“
Kommentar
Diese Planungserklärung könnte so umgesetzt werden, dass insbesondere der Stellenschlüssel der diplomierten Pflegefachpersonen gesenkt wird. Das würde die Altersheime entlasten, die entweder zu klein sind, um den Stellenschlüssel einhalten zu können, oder die aus anderen Gründen kein diplomiertes Personal finden. Sie könnten dann trotzdem weiter machen und hätten keine Auflagen des Kantons zu befürchten.
Soviel sei dazu bemerkt: das Problem, dass die Heime kein diplomiertes Personal finden, verringert sich dadurch nicht, es könnte sogar das Gegenteil der Fall sein. Der SBK Bern ist aber hauptsächlich besorgt, dass die Qualität der Pflege in den Altersinstitutionen massiv sinken könnte. Denn nur die Pflegefachleute mit einem Abschluss auf Stufe Höhere Fachschule oder Fachhochschule haben in ihrer Ausbildung die Kompetenzen erworben, den Pflegeprozess zu steuern. Als Einzige verfügen sie über das Wissen und die Fertigkeiten, zu gezielten Beobachtungen Zielsetzungen und Massnahmen zu planen, die eine Pflege lege artis, also nach den Regeln der Kunst, ermöglicht. Dies ist der Qualitätsstandard, an dem sich jedes Heim wird messen lassen müssen, wenn es zum Beispiel zu Behandlungsfehlern kommen sollte. Wer aber soll die freiwilligen und weniger gut qualifizierten Pflegenden anleiten, was Pflege nach den Regeln der Kunst ist, wenn ihnen kein diplomiertes Pflegepersonal zur Seite steht? Diese Überlegungen hat der Grosse Rat in der Hitze des Gefechtes nicht ausreichend bedacht. Denn wir gehen nicht davon aus, dass er bewusst nicht möchte, dass unsere alten Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht mehr nach den Regeln der Kunst gepflegt werden.
Die Planungserklärung könnte – aber sie muss nicht! – so umgesetzt werden, dass insbesondere der Stellenschlüssel der diplomierten Pflegefachpersonen gesenkt wird. Gegen diese Art der Umsetzung werden wir uns wehren! Und Sie?
5. Berufsbildung
Der Grosse Rat verzichtet auf Antrag der Finanzkommission auf die Aufhebung des Standortes Thun des Bildungszentrums Pflege. Dagegen hatten sich auch die Studierenden sowie der Studierendenrat des BZ Pflege aktiv zur Wehr gesetzt. An einem von ihnen organisierten Podium zeigte sich, dass die Argumente gegen eine Schliessung vielfältig sind: Zum einen wäre unklar, ob es am Campus BZ Pflege in Ausserholligen genügend Platz für alle Studierenden gibt oder zukünftig weitere Räume angemietet werden müssten. Zum andern ist der Ausbildungsstandort in Thun für die Rekrutierung im Berner Oberland und im Oberwallis von grosser Bedeutung.