Quo vadis? Die Professionalisierung der Pflege und der Berufsstand sind bedroht!

Der Berufsverband der Pflegefachfrauen und –männer SBK Sektion Bern ist alarmiert und ruft zum Protest auf – so nicht!

Aus den Erfahrungen der 90er Jahre sollten wir alle lernen und die Politik sollte nicht wieder die gleichen Fehler machen. Der Personalmangel steht vor der Tür, jeder spricht davon, alle wissen es und doch scheint es weder die Politiker, die für die Rahmenbedingungen einer guten Gesundheitsversorgung der Bevölkerung verantwortlich sind, noch die Spitaldirektionen zu beeindrucken. Die letzte Lohnrunde und das Nichtgewähren des zusätzlichen Ferientags seien hier erwähnt. Dass das Gesundheitspersonal nicht den gleichen Stellenwert geniesst wie die Lehrerschaft oder die Polizisten wird uns in solchen Situationen immer wieder schmerzlich bewusst.   

Bereits vor der Einführung der neuen Spitalfinanzierung im Kanton Bern sind die negativen Veränderungen für die Patientinnen und Patienten und das Pflegepersonal zu spüren. Der schnell wechselnde Patientenpfad ist für die Patientinnen und Patienten nicht angenehm. Eintritt, Austritt, Übertritt,… Heute Pflegefachperson XY, Arzt Dr. Sowieso,… und bereits morgen pflegen andere Personen den Patienten. Ist zu hoffen, dass die Patientinnen und Patienten keine Probleme mit der Orientierung haben. Wir beobachten, dass die nötigen Abklärungen vor dem Austritt nur rudimentär gemacht werden können, da die Zeit fehlt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer wird weiter sinken – doch bereits heute bietet die Nachbehandlung nicht immer eine sichere Weiterbehandlung. Es fehlen die Plätze für die Überganspflege, ohne die eine rasche Entlassung der Patienten aus dem Spital keinen Sinn ergibt. Im Falle von Wiedereintritten erhalten die Spitäler nämlich keine zusätzliche Abgeltung. Wir befürchten, dass vermehrt finanzielle Überlegungen die Behandlungen prägen werden.

Auch für die Pflegenden sind die rasch wechselnden Patientensituationen unbefriedigend. Der administrative und organisatorische Aufwand ist mittlerweile so gross geworden, dass einige Berufskolleginnen und -kollegen das Gefühl haben, als Managerinnen oder Sekretärinnen zu arbeiten. Doch die eigentliche Arbeit der Pflegenden, die auf der Erfassung der Patientensituation basiert (Anamnese) kann oft nicht durchgeführt werden. Dies führt dazu, dass nur das Nötigste erledigt wird statt sorgfältig geplant zu pflegen. Unter anderem werden dabei die Pflegediagnosen vernachlässigt, mit der Folge, dass nicht ersichtlich wird, was die Pflege leistet – auch im ökonomischen Sinn.

Was sind die Folgen?

Mit der neuen Abgeltungsform der Spitäler bedeutet dies eine finanzielle Einbusse für die Unternehmen: Der Patient erhält eine pflegerische Leistung, die in der Dokumentation nicht ersichtlich ist, weil sie aus zeitlichen Gründen nicht erfasst werden konnte. Alles was nicht erfasst und dokumentiert ist, kann nicht für die Codierung der Fallschwere genutzt werden. Die Fallschwere ist jener Wert, der ausschlaggebend ist für die Abgeltung der Spitalleistungen. Da der pflegerische Anteil an den Kosten eines Spitalaufenthalts oft hoch ist besteht hier dringender Handlungsbedarf.

Die Patientinnen und Patienten erhalten eine qualitativ schlechtere Behandlung, da der ökonomische Druck über Personal- und Stellenabbau abgewälzt wird und weniger Personal für mehr Arbeit vorhanden ist.

Solche Arbeitsbedingungen bedeuten für die Pflegenden neben der hohen körperlichen und psychischen Belastung vor allem Frustration: Sie bleiben den Patientinnen und Patienten zu liebe länger als ihre Schicht dauert, aber verspüren beim Verlassen der Arbeitsstelle das Gefühl der Leere. Eine Leere, weil sie trotz grösster Anstrengung keine befriedigende pflegerische Leistung erbringen konnten. 

Wenn wir nun im Versorgungsbericht der kantonalen Gesundheits- und Fürsorgedirektionen lesen, dass gezielt in Personal-Haltemassnahmen investiert werden muss, so erfreut uns das. Nur erleben wir im Kanton Bern im Moment genau das Gegenteil. 

Vielerorts muss sich das Gesundheitspersonal mit einer schlechteren Lohnrunde als das Kantonspersonal zufrieden geben. Die Arbeitgeber scheinen dem Druck der Regierung nachzugeben und wollen neue Mechanismen, um die Lohnentwicklung festlegen zu können. Der Drang ist gross, sich bei der Lohnentwicklung im Pflegebereich an die wirtschaftliche Situation anzupassen. Dies geschieht im freien Markt, aber das Gesundheitswesen ist kein freier Markt! Hier ist die Politik gefordert, denn die Regulierung und Kontrolle obliegt dem Staat. Es ist Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass das Personal gerne in diesem Bereich arbeitet. Dazu gehören ein Lohn, der den Anforderungen der Stelle entspricht und eine Lohnentwicklung, die den Verbleib und die Weiterentwicklung im Beruf fördert. 

Der Vorstand und die Delegierten des SBK Bern haben sich gründlich mit der aktuellen Situation und wollen diese nicht einfach so hinnehmen. Wir sind immer wieder bemüht das Schöne an unserem Beruf hervor zu streichen - nun geht es aber um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung! Der SBK setzt sich für eine gute Pflegequalität ein. Hierfür braucht es genügend Personal. Ausgebildete, die im Beruf bleiben und Neue, die den Beruf erlernen möchten. Das geht nicht ohne ein gutes Lohnniveau und angemessene Arbeitsbedingungen, sprich genügend Stellen, die der Ausführung einer professionellen Pflege förderlich sind.

Bitte nehmen Sie sich 10 Minuten Zeit, diesen Fragebogen auszufüllen - danke!

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Fragebogen zur Situation am Arbeitsplatz